4 Aspekte des E-Rechnungsgesetzes, über die Sie bereits heute Bescheid wissen sollten

Stefan Groß, Steuerberater, CISA und Partner der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner (PSP) in München, hat sich kürzlich in einem Webinar mit dem neuen E-Rechnungsgesetz befasst. Dabei gab er Antworten auf Fragen zur Gültigkeit, Verbindlichkeit und genauen Ausgestaltung – und wie das letztendlich aus steuerlicher Sicht zu bewerten ist. Margit Tschauner war für Sie dabei.

2014 trat die EU-Richtlinie 2014/55/EU in Kraft, deren zentrale Aussage folgende ist:

„Öffentliche Auftraggeber werden verpflichtet, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten, sofern diese der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung entsprechen.“ 

Die Richtlinie bereitet damit den Weg zu einer einheitlichen E-Rechnung und treibt die Verbreitung des elektronischen Rechnungsaustausches voran. Auf nationaler Ebene setzt das E-Rechnungsgesetz diese Richtlinie in deutsches Recht um. Stefan Groß hat die Kernelemente des E-Rechnungsgesetzes analysiert. Dabei stellen sich u. a. die folgenden 4 Fragen:

  • 1. Wie ist die elektronische Rechnung definiert?

  • 2. Welche Aussagen können über die Verbindlichkeit der elektronischen Rechnungstellung sowie über Bagatellgrenzen getroffen werden?

  • 3. Welche Vorgaben gelten in Bezug auf das Format, den Rechnungsinhalt und den Übertragungsweg?

  • 4. Ab wann sind diese Regelungen verbindlich und sind noch Änderungen zu erwarten?

Die EU-Richtlinie

Die EU-Richtlinie 2014/55/EU verpflichtet öffentliche Auftraggeber zur Annahme von elektronischen Rechnungen. E-Rechnungen sind in der Richtlinie definiert als Rechnungen, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden, das ihre automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht. Bildformate, wie zum Beispiel das PDF-Dokument, fallen nicht unter diese Definition und werden folglich nicht als E-Rechnung behandelt.
Die Verpflichtung zur Annahme elektronischer Rechnungen gilt laut Richtlinie für zentrale Regierungsbehörden bereits ab dem 18.04.2019. In Deutschland handelt es sich hierbei um alle obersten Bundesbehörden, wie z.B. das Auswärtige Amt, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium der Finanzen etc. Für die sog. subzentralen öffentlichen Auftraggeber, d. h. alle übrigen Bundesbehörden, sowie Länder und Kommunen gilt die Verpflichtung erst ab dem 18.04.2020. Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich darüber hinaus lediglich auf Vergaben, deren Auftragsvolumen oberhalb der EU-Schwellenwerte liegen.

Neben den zeitlichen Fristen und dem Geltungsbereich stellt sich die Frage, in welchem Format die Rechnungen übermittelt werden sollen. Am Markt gibt es zahlreiche Varianten, Stefan Groß spricht gar von einem Formatdschungel. Die Richtlinie hat jedoch kein bestimmtes Format festgelegt, sondern vielmehr bestimmt, dass die europäische Normierungskommission CEN (vergleichbar mit dem DIN auf nationaler Ebene) ein semantisches Datenmodell für die Kernelemente einer elektronischen Rechnung erarbeitet. Darüber hinaus legt das CEN eine Liste von zulässigen Syntaxen vor. Das bedeutet, dass eine E-Rechnung das entwickelte semantische Datenmodell abbilden und in einer der zulässigen Syntaxen übermittelt werden muss. Sowohl das semantische Datenmodell als auch die Liste der zulässigen Syntaxen wurden mittlerweile vom CEN veröffentlicht. Bei den zulässigen Syntaxen handelt es sich erstens um UN/CEFACT Cross Industry Invoice XML und zweitens um UBL (Universal Business Language).

Die EU-Richtlinie schreibt lediglich die verpflichtende Annahme und Verarbeitung von E-Rechnungen durch die öffentlichen Auftraggeber vor. Eine Pflicht für Lieferanten zur elektronischen Rechnungsstellung besteht auf europäischer Ebene hingegen nicht. Allerdings lässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten offen, Unternehmen zur elektronischen Rechnungsstellung an öffentliche Auftraggeber zu verpflichten. Nach Einschätzung von Stefan Groß ist das ein richtiger und wichtiger Schritt, um die Verbreitung der E-Rechnung im B2B-Bereich zu fördern.

Umsetzung der Richtlinie auf Bundesebene in Deutschland

Das E-Rechnungsgesetz wurde am 1.12.2016 verabschiedet, die E-Rechnungsverordnung, die dieses Gesetz präzisiert, am 6.9.2017 beschlossen. Sie setzen die EU-Richtlinie in deutsches Recht um. Über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgehend, wurde in Deutschland auch das Versenden von E-Rechnungen an öffentliche Auftraggeber des Bundes verpflichtend vorgeschrieben, und zwar ab dem 27.11.2020. 

E-Rechnungsgesetz_Zeitplan_Bund_sm


Die 4 Kernelemente im E-Rechnungsgesetz sind:

1. Definition der elektronischen Rechnung: E-Rechnungen im Sinne des Gesetzes sind analog zur EU-Richtlinie Rechnungen, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden, sodass ihre automatische und elektronische Verarbeitung möglich ist. Auch Hybridformate wie z.B. ZUGFeRD fallen darunter, sofern die Datenrepräsentanz des Formats dem CEN-Modell entspricht. Für ZUGFeRD wurde diese Anforderung mit der Version 2.0. bereits erfüllt. Reine Bilddateien wie PDF-Dokumente sind nicht zulässig.

2. Bestimmung des Kreises der Rechnungsempfänger: Das E-Rechnungsgesetz bestimmt den Kreis der Rechnungsempfänger durch einen dynamischen Verweis auf § 159 Abs. 1 Nummer 1 bis 5 GWB. Sobald für die vergaberechtliche Nachprüfung eines Auftrags die Vergabekammer des Bundes ausschließlich zuständig ist, handelt es sich somit um einen Rechnungsempfänger im Sinne des E-Rechnungsgesetzes.

3. Anwendungsbereich/Schwellenwerte: Das deutsche E-Rechnungsgesetz bezieht alle Rechnungen unabhängig vom Auftragswert mit ein, beschränkt sich also nicht nur auf oberschwellige Vergaben.

4. Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, die weitere Details erörtert.

Die E-Rechnungsverordnung

Die E-Rechnungsverordnung gestaltet das E-Rechnungsgesetz konkret aus. Mit der Verordnung wurden u. a. Rechnungsformat, Übertragungswege und Rechnungsinhalte festgelegt und eine Verpflichtung zum Versand elektronischer Rechnungen geschaffen.

1. Definition der elektronischen Rechnung: 
Die Definition, was unter einer E-Rechnung verstanden wird, wurde aus dem E-Rechnungsgesetz bzw. der Richtlinie übernommen. 

2. Verbindlichkeit und Bagatellgrenze
Die Verbindlichkeit hinsichtlich der Annahme von elektronischen Rechnungen wird auch in der Verordnung noch einmal wiederholt. Darüber hinaus legt die Verordnung allerdings auch eine Verpflichtung zum Senden von E-Rechnungen fest.

Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung bestehen lediglich für folgende Fälle:

  • Direktaufträge (Rechnungswert bis € 1000,- ohne USt.)

  • Verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge (geheimhaltungsbedürftige Rechnungsdaten)

  • Angelegenheiten des Auswärtigen Dienstes unterhalb des EU-Schwellenwertes

  • Sonstige Beschaffungen im Ausland
     

3. Rechnungsformat
Der Datenaustauschstandard XRechnung ist die nationale Umsetzung des CEN-Datenmodells. Prinzipiell steht es Rechnungsstellern frei, auch ein anderes Format zu wählen, sofern es den Anforderungen der europäischen Norm entspricht. Der Vorteil der XRechnung ist allerdings die klare Governance, d.h. es ist festgelegt, wer das Datenformat pflegt, wie neue Versionen veröffentlicht werden etc. Die XRechnung ist damit zukunftssicher.

4. Übertragungswege
Zur Übermittlung von E-Rechnungen an öffentliche Auftraggeber des Bundes wird ein Verwaltungsportal eingerichtet. Zur Sicherstellung der Integrität und Authentizität des Senders ist es notwendig, sich dort mit einem Nutzerkonto zu registrieren. E-Rechnungen können dann auf unterschiedliche Art eingebracht werden:

  • Web-Formular: Direkte Eingabe der Rechnungsdaten, gut geeignet für Kleinunternehmer

  • Upload von Files: Elektronische Rechnungen können im Upload-Bereich hochgeladen werden

  • Web-Service

  • DE-Mail/E-Mail: nur, wenn es möglich ist, Integrität und Authentizität sicherzustellen, was insbesondere bei E-Mail fraglich ist.

Selbstverständlich ist die Nutzung des Verwaltungsportals auch mit einem dazwischengeschalteten Provider möglich. 

5. Rechnungsinhalt
Neben den umsatzsteuerrechtlichen Bestandteilen, muss die elektronische Rechnung folgende Angaben enthalten:

  • Zahlungsbedingungen

  • DE-Mail/E-Mail-Adresse des Rechnungsstellers

  • Leitweg-Identifikationsnummer

  • Bankverbindungsdaten

  • Lieferanten- und Bestellnummer, sofern bekannt

Bedeutung des E-Rechnungsgesetz und der Verordnung in der Gesamtwertung

Stefan Groß sieht im E-Rechnungsgesetz und der dazugehörigen Verordnung insgesamt ein positives Signal, da nicht nur die Annahme von elektronischen Rechnungen verpflichtend wird, sondern auch das Senden. Dies könnte zu einem Katalysatoreffekt führen: Wenn Unternehmen ohnehin E-Rechnungen an die öffentliche Verwaltung senden müssen, ist die Hürde geringer, das auch für andere Kunden zu übernehmen. Die XRechnung könnte sich dabei als Blaupause für einen Standard im B2B-Bereich etablieren. Sicher ist eins: Nur mit E-Rechnungen im Sinne des Gesetzes, also mit strukturierten Rechnungsdaten kann man medienbruchfrei und automatisch weiterverarbeiten und so eine Prozessbeschleunigung erreichen.

Allerdings sieht Stefan Groß mit den von der EU gesetzten Fristen einen sportlichen Zeitplan für den Bund, da nicht nur das Gesetz umgesetzt und Prozesse angepasst werden, sondern auch entsprechende IT-Systeme eingeführt werden müssen.

Planspiel XRechnung

Zur Erprobung der elektronischen Rechnungsübertragung auf Basis des Datenaustauschstandards XRechnung hat der Verband elektronische Rechnung (VeR) in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) ein Planspiel entwickelt, das die praktische Umsetzung des Standards im Vorfeld der Einführung testen soll. Grob gesagt geht es darum, zu ergründen, wie die XRechnung funktioniert und welche Voraussetzungen bei Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung noch geschaffen werden müssen, damit zum Stichtag alles funktioniert. Konkret sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden:
 

  • Kann der Sender die erforderlichen Daten/Informationsbestandteile liefern(Vollständigkeit)?

  • Versteht der Sender die Semantik der Informationsbestandteile (Semantik)?

  • Ist der Sender in der Lage, strukturierte Daten zu liefern (Technik)?

  • Enthält die Nachricht alle für den Empfänger erforderlichen Daten (Vollständigkeit?)

  • Stehen die Daten an der richtigen Stelle (Semantik)?

  • Ist der Empfänger in der Lage, die Daten technisch zu verarbeiten?

  • Welchen Kanal nutzt der Sender, um die Rechnung zu verschicken (Vertraulichkeit?)

Wenn Sie Rechnungsempfänger im öffentlichen Auftragswesen sind oder dort Kunden haben, können Sie mit einer Teilnahme am Planspiel aktiv zur Gestaltung des elektronischen Rechnungsaustauschs beitragen. Bitte sprechen Sie uns über das Kontaktformular an, wenn Sie am Planspiel teilnehmen möchten.

Wenn Sie sich dafür interessieren, was andere Mitgliedssaaten aus der EU-Richtlinie gemacht haben, empfehle ich Ihnen das EU-Compendium E-Invoicing and Retention, herausgegeben von der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner (PSP).

Ein Hinweis zum Abschluss: Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors zur derzeitigen Rechtslage wieder und enthält lediglich einen Überblick über einzelne Themenkomplexe. Spezielle Umstände einzelner Fallkonstellationen wurden nicht berücksichtigt; diese können durchaus zu abweichenden Betrachtungsweisen und/oder Ergebnissen führen. Der Beitrag kann daher keine rechtliche oder steuerliche Beratung ersetzen; bitte holen Sie eine auf Ihre Umstände zugeschnittene, weitere Entwicklungen berücksichtigende Empfehlung Ihres Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers ein, bevor Sie Entscheidungen über die in diesem Beitrag betrachteten Themen treffen. Die
Finanzverwaltung und/oder Gerichte können abweichende Auffassungen zu den hier behandelten Themen haben oder entwickeln. 

Margit Tschauner war viele Jahre für namhafte Software-Unternehmen als Financial Analyst und FP&A Manager im In- und Ausland tätig. Ihr gesamtes Wissen im Accounting- und Finanzbereich sowie der Optimierung von Geschäftsabläufen setzt sie seit 2015 bei Basware ein, um für Unternehmen einen echten und nachhaltigen Mehrwert im Purchase-to-Pay-Prozess zu schaffen.