E-Invoicing erfolgreich einführen

Mittwoch, 11. November 2015

5 Minuten Lesezeit

E-Invoicing erfolgreich einführen

In der ersten Sitzung meines mehrteiligen Webinars habe ich Ihnen bereits erklärt, wie Sie von e-Invoicing profitieren können. Im zweiten Teil am 8. Oktober 2015 ging es um den praktischen Ansatz: Wie können Sie konkret e-Invoicing in Ihrem Unternehmen einführen?

 

Für den Fall, dass Sie nicht teilnehmen konnten, habe ich die wichtigsten Punkte in diesem Blog-Beitrag für Sie nochmals zusammengefasst.
 

Start- und Ziellinie bestimmen

Wie bei jedem Projekt kommt es darauf an, wo sie jetzt stehen und was Sie sich als Ziel setzen möchten – und in dieser Hinsicht gibt es viele offene Fragen zu beantworten. Speziell im Hinblick auf die Einführung von e-Invoicing ist es wichtig zu betrachten, inwieweit Ihre Prozesse schon automatisiert wurden.

  • Arbeiten Ihre Angestellten noch gänzlich mit Papier?

  • Scannen sie Papierrechnungen nach der Rechnungsbearbeitung?

  • Scannen sie Rechnungen vor der Bearbeitung ein und nutzen OCR-Erkennung (Optical Character Recognition)?

  • Gibt es bereits einen Rechnungsworkflow mit Freigaberegelungen und Abgleichen?


Mit diesen Aspekten hängt auch die Frage zusammen, was Sie erreichen wollen und können. Je nach Situation ist es vielleicht für Sie bereits von Vorteil, nur den Papiereingang durch PDF oder strukturierte Daten zu ergänzen. Auf der anderen Seite des Spektrums kann dagegen ein voll integrierter Gesamtbeschaffungsprozess stehen, der von der Bestellung bis zur Rechnung soweit möglich alles automatisiert abwickelt.

Von den Rahmenbedingungen ist auch abhängig, wie groß die Einsparpotentiale in Ihrem Unternehmen sind. Wenn Sie aus dem Stand ohne bereits vorhandene e-Invoicing-Infrastruktur einen vollautomatisierten Prozess aufbauen wollen, sind durchaus 70 bis 80 Prozent an Einsparungen möglich. Letztlich kommt es natürlich aber immer auf den Einzelfall an. Je weniger sie bereits automatisiert haben, desto mehr können Sie von weiterer Automatisierung profitieren.
 

Die Laufbahn abstecken

Gleich welches Ausmaß Ihr Projekt auch annimmt – Anforderungen gibt es immer zu erfüllen. Grob lassen sie sich in gesetzliche, fachliche und nichtfunktionale Anforderungen unterteilen:

  • Selbstverständlich sind gesetzliche Vorschriften zu beachten. Speziell müssen Sie den Prozess umsatzsteuerkonform gestalten und auch die Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung elektronischer Daten und zum Datenzugriff (GoBD) einhalten. Im Detail bedeutet dies unter anderem, dass die Rechnung ordnungsgemäß und vollständig zu sein hat – zusätzlich müssen alle Vorgänge nachvollziehbar und prüfbar sein und es muss Prozesssicherheit bestehen. Schließlich müssen Sie die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen einhalten und auch alle Abläufe dokumentieren. Anders als noch bis 2011 ist es heute aber nicht mehr notwendig, der Rechnung eine digitale Signatur beizufügen. Der BITKOM hat zu alldem eine äußerst hilfreiche Zusammenfassung mit den wichtigsten Grundsätzen erstellt, die ich Ihnen empfehlen möchte.

  • Bezüglich fachlicher Anforderungen ist es erstens essentiell, sich einen Überblick zu verschaffen zur Menge und Häufigkeit von Rechnungen. Wie viele Rechnungen treffen wie oft von welchen Lieferanten ein? Sind Sie regelmäßig gezwungen, Ausnahmeregelungen anzuwenden? Auch angesichts dessen sollten Sie zusätzlich differenzieren zwischen unterschiedlichen Rechnungsarten: An Baurechnungen beispielsweise werden andere Ansprüche gestellt als an Rechnungen für Büromaterial. Daraus ergeben sich dann die funktionalen Anforderungen. So sollten Sie vorab klären, ob Sie Positionsdaten für Abgleiche benötigen oder ob die Kopfdaten einer Rechnung ausreichen. Die Nutzung von Positionsdaten bietet sich primär bei Rechnungen an, die als strukturierte Daten (EDI/XML) eingehen. Bei gescannten und als PDF eingehenden Rechnungen erhöht die Extraktion von Positionsdaten die Fehleranfälligkeit und Komplexität erheblich. In diesem Fall gilt es abzuwägen, ob der Aufwand den Nutzen tatsächlich wert ist.

  • Nichtfunktionale Anforderungen bestehen hinsichtlich Integration, Sicherheit sowie Service & Support. Weiterhin können hier unternehmensstrategische Aspekte eine Rolle spielen.


Haben Sie die genannten Punkte einer gründlichen Analyse unterzogen, so besteht die nächste Aufgabe darin, den Soll-Zustand zu erarbeiten.
 

Menschliche statt technischer Perfektion anstreben

An dieser Stelle kommt der, wie ich ihn gern nenne, menschliche Aspekt ins Spiel. Denn bei aller Automatisierung geht es immer noch darum, dass es Ihre Mitarbeiter sind, die mit einer neuen Lösung arbeiten müssen. Es kommt nicht auf eine einhundertprozentige Perfektion an, weil es immer Sonderfälle bei der Rechnungsbearbeitung geben wird, auf die ein automatisiertes System nicht vorbereitet sein kann. Bauen Sie lieber auf eine nicht ganz perfekte Lösung, mit der im Gegenzug alle Beteiligten gut umgehen können. Ein motiviertes Team mit entsprechenden Soft-Skills ist wichtiger als ausschließlich graue Theorie.

Dazu sollten Sie die Kompetenzen dreier Fachrichtungen in Einklang bringen. Natürlich ist es zwar Ihre Finanzabteilung, die tagtäglich mit dem e-Invoicing beschäftigt sein wird, aber die IT-Abteilung bringt das nötige Know-How für die Implementierung mit. Zusätzlich muss die rechtliche Seite mit im Boot sitzen, um rechtliche Sicherheit zu gewährleisten. Bei den letzten beiden Aspekten kann externe Unterstützung hilfreich sein.

Folgendermaßen sieht nun der Soll-Prozess im Groben aus:

Grundsätzlich läuft die Kommunikation über bestimmte Schnittstellen und in bestimmten Formaten zwischen dem Rechnungssteller und dem Rechnungsempfänger ab. Der Versender erzeugt eine Rechnung und kann sie optional mit Signatur oder Zeitstempel versehen. Anschließend wird die Rechnung archiviert, gegebenenfalls verschlüsselt und versendet.

Entsprechend läuft es auf der Gegenseite ab. Der Empfänger entschlüsselt die Rechnung (sofern sie auf Senderseite verschlüsselt wurde) und konvertiert gegebenenfalls das Datenformat. Aus der folgenden Prüfung ergibt sich dann, ob die Rechnung formell in Ordnung ist – falls nicht, wird reklamiert, d.h. auch der Rückkanal muss in Betracht gezogen werden. Ist dagegen alles in Ordnung, erfolgen auch hier die Archivierung, sachliche Prüfung, Freigabe und Buchung.

So weit, so gut. Die Herausforderungen liegen in der jeweiligen Detailgestaltung.
 

Stolpersteine aus dem Weg räumen

Auch hier gilt es verschiedene Punkte zu beachten. Branchen- und Kundenspezifika sind generell zu berücksichtigen – die Automobilbranche hat andere Anforderungen als beispielsweise die Hotellerie.

Das kann weitere Anforderungen an den Rechnungssender mit sich bringen: Beispielsweise kann beim Empfänger der Wunsch entstehen, dass der Rechnungssteller bestimmte Angaben auf der Rechnung ergänzt, z.B. Sachkonten oder Kreditorennummern, die seine internen Prozesse zur Weiterverarbeitung vereinfacht. Solche Aspekte bedürfen einer engen Abstimmung zwischen Sender und Empfänger.

Die Faustregel dazu: Je wichtiger der Geschäftspartner, desto wichtiger ist es, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Als Rechnungssender sind Sie zudem dafür verantwortlich, dass beim Einsatz von Hybrid-Formaten, also von PDF und strukturierten Daten gleichzeitig, alle Datensätze übereinstimmen. Dies ist im Eigeninteresse des Senders, weil er sonst die Umsatzsteuer zweimal abführen müsste.

Bei der Umstellung auf e-Invoicing kommen ebenso auf den Empfänger neue Aufgaben zu – insbesondere fachlicher Art. Der Empfänger hat beispielsweise die Rechnung mit Warenwirtschaftssystem, Materialwirtschaft, Bestellung und so weiter abzugleichen. Auch geht es um das Aufbringen von Kontierungen und Buchungsdaten sowie Korrekturen und, soweit erlaubt, Kürzungen. Neue Freigaberegeln und -prozesse müssen entstehen, ebenso wie Unterschriften- und Stellvertretungsbestimmungen.

Mit dem Wegfall des langwierigen Papiertransportes wird es auch zum Alltag werden, dass die Rechnung vor der Ware eintrifft. Eine Rückgabe der Rechnung macht im Zeitalter des e-Invoicing so keinen Sinn mehr – auch dieser Prozess muss geregelt werden.

Technisch gesehen spielen außerdem noch die Visualisierung der Rechnungsdaten, elektronische Archivierung und sogar so einfach scheinende Dinge wie E-Mail-Adressen eine Rolle – letztere sollten Sie sachbezogen statt personenbezogen vergeben, damit auch nach dem Weggang eines Mitarbeiters noch Zugriff besteht. Probleme bereitet unter Umständen auch die Vielzahl an  Datenstandards, die insbesondere branchenspezifisch gestaltet sind – hier ist weniger manchmal mehr.

Natürlich bringt eine Umstellung dieses Ausmaßes auch „Nebenwirkungen“ mit sich. Nicht selten kommt es vor, dass Unternehmen bei der Einführung von e-Invoicing den Rechnungseingang zentral und einheitlich gestalten.

Eine weitgehende Automatisierung geht meist auch mit einer Erhöhung des Anteils an bestellbezogenen Rechnungen einher, sofern Bestell- und Rechnungsprozess integriert werden. Die Einführung von e-Invoicing ist häufig auch Anlass für eine generelle Überprüfung und Konsolidierung der Lieferantenbasis.
 

Gemeinsam über die Ziellinie

Gegenseitige Hilfestellung ist für Sender und Empfänger sehr zu empfehlen – Stichwort Onboarding. Beide Seiten müssen sich, das möchte ich nochmals betonen, über das Vorgehen abstimmen und bei der Implementierung helfen. Dienstleister greifen Ihnen in dieser Hinsicht sehr gerne unter die Arme. Sie verfügen über die nötige Infrastruktur, die eine Zusammenarbeit wesentlich erleichtert.

Eine Darstellung dessen, wie der Implementierungsprozess im Detail abläuft, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Daher nur so viel: Wichtig für den Rechnungssteller sind die Grundsatzfragen.

  • Welche Akzeptanz besteht auf Seiten der Rechnungsempfänger?

  • Arbeiten Sie mit oder ohne Dienstleister?

  • Wie bewerkstelligen Sie die Archivierung der Rechnungen?

  • Welche Formate möchten Sie unterstützen?


Auf der Seite des Rechnungsempfängers stellen sich zusätzliche Fragen, z.B.:

  • Welche Infrastruktur ist bereits vorhanden (z.B. PDF-Eingangskanal)?

  • Was lassen sich bestehende Lösungen gegebenenfalls einbinden?

  • Welcher Automatisierungsgrad ist notwendig bzw. sinnvoll?


Letztlich sollte alles darauf hinaus laufen, dass zum Schluss eine einheitliche technische Architektur vorhanden ist, die alle Informationen aus mehreren Eingangskanälen zusammenführt und dann bearbeitbar macht. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass, je nach Format, drei (oder mehr) technisch unterschiedliche Prozesse implementiert werden, die letztlich die gleichen Aufgaben erfüllen und mit den gleichen Buchhaltungs- und Archivsystemen integriert werden müssen.